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Wintervorhersage für die Tonne
Es wird scheinbar höchste Zeit für die ersten Winterprognosen, denn es geht immerhin auf Ende September zu. Angebliche Experten sehen bereits einen „Eiswinter“ kommen. Was von solchen Prognosen zu halten ist, sieht man schnell, wenn man in die Vergangenheit schaut.
Modelle liefern erste Tendenzen
Passend zu den ersten Spekulatius in den Regalen der Discounter, gibt es jedes Jahr bereits im September zuverlässig die ersten Spekulationen zum Wetter des kommenden Winters. Oft sind die Einschätzungen des Winterwetters recht dramatisch als sichere Prognosen aufgearbeitet und damit schlicht unseriös. Björn Goldhausen, Pressesprecher und Meteorologe von WetterOnline, erklärt: „Viele der Aussagen über den Winter beruhen auf dem Climate Forecast Systems (CFS) des amerikanischen Wetterdienstes. Dies ist ein Wettermodell, das mit aktuellen und früheren Wetterdaten gespeist wird. Damit werden Vorhersagekarten über mehrere Monate im Voraus berechnet. Angegeben wird jeweils die Temperatur- oder Niederschlagsabweichung gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020.
Das Modell liefert maximal erste Tendenzen, die sich nicht selten wöchentlich ändern. Auch die an solchen Modellen beteiligten Forscher weisen fairerweise darauf hin, dass die Vorhersagen experimentell sind und noch sehr viel Forschungsarbeit hineingesteckt werden muss. Dennoch gibt es immer wieder ‚Experten‘, die eine solche Prognose scheinbar eins-zu-eins veröffentlichen, um Aufmerksamkeit zu bekommen.“
„Eiswinter“ oder warmer Winter
Auch wenn einige „Wetterexperten“ von einem drohenden „Eiswinter“ sprechen, ist davon im amerikanischen Wettermodell nichts zu sehen. Goldhausen: „Derzeit sieht das CFS die Wintermonate übrigens sogar etwas wärmer als das Mittel der vergangenen 20 Jahre. In Zeiten des Klimawandels ist dies nicht unwahrscheinlich.
Vorhersagen Monate im Voraus haben in der Vergangenheit ohnehin häufig nicht funktioniert, man hätte genauso gut würfeln können. So wurde zum Beispiel der April 2021 als sehr warm vorhergesagt. Am Ende ist er als der kälteste der vergangenen 40 Jahre in die Wettergeschichte eingegangen.“
Polarwirbel als Prognosegrundlage
Weitere Vorhersagen für den Winter beziehen sich nicht auf das Climate Forecast System, sondern auf den sogenannten Polarwirbel. „Der Polarwirbel ist ein Kalfluftwirbel zwischen 10 und 50 Kilometer Höhe, der von kräftigen Winden begrenzt wird. Diese Winde wirken wie eine Mauer und lassen die kalte Luft nicht entweichen. Nun kommt es ab und zu im Winter vor, dass warme Luft in diesen Kaltluftwirbel eindringt und ihn manchmal sogar teilt und damit schwächt. Diese Dynamik ist der sogenannte Polarwirbel-Split“, erklärt der Meteorologe.
Verhalten des Polarwirbels im Kaffeesatz sichtbar
Goldhausen: „Einen Polarwirbel-Split hat es zum Beispiel im Januar dieses Jahres gegeben. Ein solcher geschwächter Polarwirbel kann sich zeitversetzt in der unteren Atmosphäre auf unser Wetter auswirken. Grob gesagt werden die milden Westwinde geschwächt, die Strömung bei uns beginnt stärker hin- und herzupendeln, wodurch leichter arktische Polarluft nach Süden vordringen kann.
Zum Beispiel waren die Kaltlufteinbrüche im vorherigen Winter eine Folge davon.
Die Auswirkungen des Polarwirbelsplits sind in einigen Studien belegt. Jedoch ist es nicht möglich, schon jetzt vorherzusagen, wie sich der Polarwirbel entwickeln wird. Wenn also schon jetzt über das Verhalten des Polarwirbels im kommenden Winter spekuliert wird, dann ist das Kaffeesatzleserei.“
Fazit: Jahreszeitprognosen sind Rätselraten ohne Wenn und Aber. Dabei ist es irrelevant, ob man Modellprognosen betrachtet oder einen Blick auf den Polarwirbel wirft.
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